Im März 2020 stellte EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius einen neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vor. Als einer der wichtigsten Bausteine des europäischen Green Deals enthält dieser Maßnahmen, die sich über den gesamten Lebenszyklus von Produkten erstrecken. So sollen neue Produkte künftig explizit im Sinne einer zirkulären Wirtschaft designt werden. Ziel des Ganzen: die Haltbarkeit, Nachrüstbarkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwendbarkeit von Produkten zu verbessern sowie den Anteil von Rezyklaten in neuen Produkten zu erhöhen. So sollen bis 2030 sämtliche in der EU hergestellte Verpackungen zu 100% wiederverwendbar oder recycelbar sein.
Auch in der Gesellschaft ist aktuell ein starker Wandel in Richtung Nachhaltigkeit zu beobachten. 68 Prozent der deutschen Bevölkerung würden grundsätzlich mehr bezahlen, wenn ein Produkt der Umwelt nachweislich keinen Schaden zufügt, so das Ergebnis einer Befragung von 2.500 Konsumentinnen und Konsumenten Anfang 2020 durch die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young).
Dieses in der Politik und Gesellschaft wachsende Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Kreislaufführung von Rohstoffen trifft in der Recyclingindustrie auf Zustimmung. Der VDMA Fachverband Abfall- und Recyclingtechnik sieht gerade bei der Wiederverwendung von Kunststoffen ein enormes Potenzial. So könne bereits heute modernste Recyclingtechnologie einen großen Anteil der in Deutschland verarbeiteten 14,4 Millionen Tonnen an Kunststoffen recyceln – ein relevanter Beitrag für den Klimaschutz, würden doch beim Einsatz einer Tonne rezyklierten Kunststoffs zwischen 1,45 und 3,2 Tonnen CO2-Äquivalent eingespart. Problem des Ganzen: Der Absatzmarkt für die Rezyklate fehlt.
Rezyklat vs. Virgin – eine Frage der Wirtschaftlichkeit
Durch die Ende 2020 sehr geringe Nachfrage nach Rohöl ist der Preis für neue Kunststoffe extrem gesunken. Die Folge: Verpackungshersteller setzen vermehrt Virgin-Kunststoffe ein und nutzen weniger recyceltes Material. Dieser Effekt wird zusätzlich verstärkt durch die höheren Preise von Rezyklaten, denen oft aufwändige Verwertungsprozesse zugrunde liegen. Um nämlich Rezyklat profitabel herstellen und zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten zu können, sind Recycler auf modernste Technologie angewiesen. Darüber hinaus hängt die Profitabilität des Rezyklats maßgeblich vom Inputmaterial ab. Je hochwertiger und sortenreiner dieses ist, desto wirtschaftlicher ist der Aufbereitungsprozess. Und nur wenn Qualität und Preis des Rezyklats mit Neuware vergleichbar sind, entscheiden sich Hersteller für dessen Einsatz.
Die Geschäftsführerin des VDMA Fachverbandes Abfall- und Recyclingtechnik Dr. Sarah Brückner ist sich sicher: „Ein Markt für Sekundärrohstoffe und damit auch eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft lassen sich ohne den richtigen Rechtsrahmen nicht dauerhaft etablieren.“
EU-Plastikabgabe – die Lösung?
Eine mögliche Lösung zur Rettung der Rezyklatmärkte sieht die EU in der im Juli 2020 verabschiedeten Plastiksteuer. Diese Abgabe in Höhe von 80 Cent je Kilogramm fällt seit dem 1. Januar 2021 auf alle nicht recyclebaren Abfälle aus Kunststoff an – und soll einen Anreiz für die EU-Staaten schaffen, weniger „schmutziges“ Plastik in Umlauf zu bringen. Vor allem für Deutschland eine große Umstellung, gilt es doch, wie aus dem „Plastikatlas“ der Heinrich-Böll-Stiftung hervorgeht, als größter Plastikproduzent und -verarbeiter Europas.
Problem der Plastiksteuer: Die Abgabe für Plastikmüll geht zulasten der Steuerzahler, nicht zulasten der Verpackungsindustrie, die das Plastik in Umlauf bringt. Viola Wohlgemuth, bei Greenpeace zuständig für die Themen Konsum, Textilien und Plastik, sieht die Steuer mit kritischen Augen. Laut einem Spiegel-Artikel ist sie der Ansicht, die Plastiksteuer müsse, um eine echte Lenkungswirkung zu entfalten, bereits auf die Produktverpackungen aufgeschlagen werden, sobald sie auf den Markt kommen.
Der Rezyklatanteil muss erhöht werden. Aber wie?
Eine sichere Marktverfügbarkeit an Rezyklaten könnte den Bedarf an Primärrohstoffen in Zukunft reduzieren. Um dies zu erreichen, müssen jedoch Recycler, Hersteller und Verbraucher Hand in Hand arbeiten.
Abfallsammlung und Recycling optimieren
Abfallsammelsysteme stellen einen wesentlichen ersten Schritt in jedem Abfallwirtschaftsprozess dar und spielen eine zentrale Rolle für dessen Gesamtleistung. In Europa gibt es eine Vielzahl an Systemen zur Sammlung von Haushaltsmüll. Heute bietet die explizite Sammlung von Verpackungen und anderen Haushaltsgütern, die hauptsächlich aus Kunststoff, Aluminium, Papier und Glas bestehen, eine attraktive Lösung zur Maximierung der recycelten Abfallmenge. Damit jedoch das Recycling von Verpackungsabfällen auch tatsächlich erfolgen kann, sind neben den Herstellern auch die Verbraucherinnen und Verbraucher gefragt. Die Grundvoraussetzung der Abfallaufbereitung ist eine sortenreine Trennung. Nur wenn wir unsere Verpackungsabfälle ordnungsgemäß entsorgen, können diese ins Recycling gelangen.
Doch es gibt noch ein weiteres Problem: Bestehen Verpackungen aus mehreren Materialschichten bzw. einer Kombination aus Materialien, die nach Gebrauch nicht getrennt werden können, ist der Recyclingaufwand wesentlich höher. Teilweise bestehen sie aus fest verklebten Verbindungen mehrerer Kunststoffarten. In diesem Fall werden sie in der Sortieranlage meist einer Materialfraktion zugeschlagen, was die Sortenreinheit mindert.
Die steigende Nachfrage nach Rezyklaten, vor allem PET-Rezyklaten, für Kunststoffverpackungen birgt zudem die Gefahr, dass in Zukunft nicht genügend Sekundärrohstoffe in geeigneter Qualität zur Verfügung stehen. Seit langem bestehen in Deutschland die Getränkeflaschen bereits zu knapp 30 Prozent aus recyceltem PET. Die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. sieht jedoch den PET-Getränkeflaschenmarkt in Gefahr. „Nur wenige Länder in Europa verfügen bislang über ein so effektives Pfandsystem für PET-Getränkeflaschen wie Deutschland“, so Dr. Isabell Schmidt, IK Geschäftsführerin Kreislaufwirtschaft.
Um eine ausreichende Versorgung der Branche mit Recycling-Rohstoffen sicherzustellen, müsse die getrennte Sammlung sowie das Recycling von PET-Getränkeflaschen in der gesamten EU massiv ausgebaut werden. Andernfalls drohe für PET-Getränkeflaschen ein Vermarktungsverbot. Um dies zu verhindern, setzt sich die IK für den Aufbau einer europäischen Marktbeobachtungsstelle ein, die vor allem die Verfügbarkeit von PET-Rezyklat in Lebensmittelkontaktqualität im Auge behalten soll. Sofern Recycling-Rohstoffe nicht mehr in den erforderlichen Mengen und Qualitäten zu annehmbaren Preisen verfügbar seien, sollten die EU-Vorgaben für den Einsatz von Rezyklat ausgesetzt werden, so Dr. Schmidt.
Herausforderung für die Kunststoffhersteller und -verarbeiter: Hochwertiges Rezyklat dank innovativer Technologien
Die wichtigste Voraussetzung, um qualitativ hochwertige Sekundärrohstoffe herstellen zu können, ist sortenreines Material. Zugekauftes Rezyklat verschiedener Hersteller enthält häufig Verunreinigungen. Das kann viele Ursachen haben. Werden beispielsweise die unterschiedlichen Materialien beim Kunststoffrecyclingprozess nicht richtig erkannt, getrennt und sortiert, gelangen sie vermischt und in zerkleinerter Form weiter in das Rezyklat. Wird dieses verunreinigte Rezyklat weiterverarbeitet, leidet die Produktqualität und es kommt zu Reklamationen. Farbabweichungen durch Fehlfarben im Rezyklat können ein weiterer Reklamationsgrund sein. Die häufigste Verunreinigung im Rezyklat sind Metallpartikel. Bleiben diese unentdeckt, können Sie zu Maschinenschäden führen und die Produktionseffizienz erheblich minimieren.
Die Lösung sind sensorbasierte Materialanalysesysteme und Sortiergeräte, die präzise nach Form, Farbe und Materialart sortieren können. Metallseparatoren können darüber hinaus selbst feinste Metallpartikel im Rezyklat zuverlässig erkennen und ausschleusen. So ist es möglich, aus minderwertigem Ausgangsmaterial Rezyklat mit Reinheiten von bis zu 99 Prozent zu gewinnen.
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Design for Recycling
Die Politik reagiert auf diese Herausforderung mit ambitionierten Vorgaben in der Gesetzgebung, beispielsweise im Verpackungsgesetz. Hersteller haben in Zukunft mit Blick auf die ganzheitliche und nachhaltige Produktentwicklung eine neue Herausforderung beim Produktdesign. Sämtliche Produkte sollen künftig so designt und hergestellt werden, dass die Verpackungen nach dem Gebrauch entweder weiterverwendet und recycelt werden können oder aber aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, so die Forderung der EU-Kommission.
Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Denn es können nur recyclefähige Produkte hergestellt werden, wenn es ausreichend Sekundärrohstoffe gibt. Und nur, wenn ausreichend Sekundärrohstoffe zu erschwinglichen Preisen verfügbar sind, können Hersteller profitabel arbeiten.
Fazit
Der Wunsch, den Kreislauf zu schließen, ist sowohl in der Gesellschaft als auch in der Politik groß. Die EU hat die grundsätzliche Richtung vorgegeben und erste Gesetze erlassen, es fehlt jedoch noch an einem rechtlich ausgereiften Konzept, um die ambitionierten Klimaschutzziele tatsächlich zu erreichen und den Kreislauf vollends zu schließen. Doch eines ist sicher: Bis dies soweit ist, muss die Bereitschaft eines jeden vorhanden sein, seinen aktiven Beitrag zu leisten – vom Hersteller und Verarbeiter über die Konsumenten bis hin zu den Recyclingfirmen. Diese Bereitschaft wird jedoch nur gegeben sein, wenn alle Beteiligten ein gewisses Maß an Planungssicherheit haben. Denn nur dann sind sie in der Lage, profitabel zu arbeiten.
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